Site Depot – das Betriebssystem der Kreislaufwirtschaft
1. März 2023
Was ist das Problem, mit dem ihr euch befasst? Worin besteht die Nachhaltigkeitsherausforderung?
Der Bausektor ist einer der materialintensivsten Wirtschaftssektoren in Deutschland. Jährlich werden große Mengen an Rohstoffen verbraucht, die nach vielen Jahren infolge von Abbruch- und Umbaumaßnahmen als Bauabfälle freigesetzt werden.
Im Jahr 2020 mussten laut Bundesumweltamt 229,4 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle verwertet oder beseitigt werden. Das sind fast 60 Prozent des deutschen Gesamtabfallaufkommens. Weit über 80 Prozent der Bau- und Abbruchabfälle werden auch tatsächlich verwertet. Ein Teil der Baustoffe landet aber nach wie vor auf der Deponie – allein in der EU rund drei Milliarden Tonnen pro Jahr.
Für eine nachhaltige und klimafreundliche Bauwirtschaft müssen Ressourcen effizient eingesetzt werden. Der verantwortungsvolle Einsatz von Baustoffen und recyclefähigem Aushub- und Abbruchmaterial muss bereits bei der Planung berücksichtigt werden. Dadurch lässt sich die unnötige Deponierung von Bauabfällen vermeiden. Für eine stärkere Anwendung des Kreislaufprinzips im Baualltag braucht es aber innovative Lösungen.
Was ist euer Lösungsansatz / die Innovation?
Mit genau solchen Lösungen beschäftigt sich Christian Landes, Gründer und Geschäftsführer der N1 Trading GmbH aus Dossenheim. Seit Jahren entwickelt das Unternehmen digitale Werkzeuge für die Bauindustrie.
In der Vergangenheit fehlten schlichtweg Übersicht und Transparenz, um potenzielle Materialien für das Recycling zu identifizieren. Mit der N1-Software „Site Depot“ können Bauunternehmen, Recyclingbetriebe und Baustoffproduzenten diese Materialströme nun erkennen und effizient steuern. Site Depot organisiert intern sowie durch Vernetzung mit anderen Unternehmen das Stoffstrommanagement. Ziel ist jeweils der optimierte Einsatz von Sekundär- oder Primärrohstoffen.
Einen Fokus legt N1 derzeit auf die Wiederverwertung von Beton. Allein für den Betonbestandteil Zement fallen 2,8 Milliarden Tonnen CO2 an. Das sind fast acht Prozent der weltweiten Emissionen und damit mehr, als der Flugverkehr und Rechenzentren zusammen ausstoßen. Zudem entstehen durch Abriss und Umbau weltweit jedes Jahr Milliarden Tonnen Altbeton.
Vor diesem Hintergrund hat N1 in Kooperation mit Holcim Deutschland und der Max Wild GmbH das Projekt RE:CONCRETE ins Leben gerufen. Das offene Projekt lädt Unternehmen aus der Baubranche dazu ein, gemeinsam durch die Aufbereitung von Betonabbruch den Einsatz von Primärrohstoffen bei der Betonherstellung zu verringern.
Der Abriss der Cassella-Brücke in Frankfurt ist hierfür ein Beispiel. Die am Projekt beteiligten Unternehmen haben sich über die N1-Software Site Depot gefunden und nutzen die Lösung auch zur Abwicklung der Geschäfte. Für den Abbruch ist das Bauunternehmen Max Wild GmbH beauftragt, das aus der Brücke etwa vier Meter lange und 30 Tonnen schwere Teile herausgesägt, per Autokran heraushebt und dann zwischenlagert.
Den Abtransport der Brückenteile übernimmt ein auf Logistik und Aufbereitung spezialisiertes Unternehmen, das über eine Niederlassung in Frankfurt verfügt. Durch die lokale Aufbereitung entfallen lange Transportwege. Das aufbereitete Material wird als Recyclingbaustoff wieder dem Stoffkreislauf zugeführt.
Abnehmer ist in diesem Fall ein Holcim-Betonwerk vor Ort. Bei Holcim ersetzt das Recyclingmaterial Teile des Betonzuschlags. So werden Primärrohstoffe eingespart und auch auf weite Transportwege vom Steinbruch zum Betonwerk verzichtet, was zusätzlich eine Verringerung der CO2-Emissionen bedeutet.
Was ist der Impact?
Das Cassella-Projekt im Überblick:
- Zeitersparnis: > 90%, bei der Analyse der Ausschreibungen auf Nachhaltigkeitspotenzial, aus Stunden werden Minuten
- Nachhaltigkeit: bis zu 30% Einsparung von CO2-Emissionen bei der Herstellung von Beton und Zement durch Recycling
- Umweltaspekte: Starke Reduktion von Abfallmengen und Schutz von primären Ressourcen, geringere Logistikkosten (CO2-Ausstoß) durch Aufbereitung des Bauschutts in Frankfurt
Beitrag von
Beatrix Immig
E-Mail
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